Fueller und Tagebuch zum Schreiben als Therapie

Oft fehlen uns, was die eigenen schwierigen oder gar traumatischen Erfahrungen betrifft, die Worte. Sowohl beim persönlichen Gespräch als auch beim Schreiben. Wortwörtlich: Wir kommunizieren ausgerechnet darüber nicht. Nicht nur, dass von diesem Verhalten die TäterInnen, wenn vorhanden, profitieren. Wir enthalten uns selber eine natürliche Möglichkeit der Heilung vor. Eben den Austausch mit anderen Menschen.

Teilweise ist die Tendenz, lieber ein Geheimnis als klar Tisch aus den uns beschämend erscheinenden Erfahrungen zu machen, verständlich. Ein falsches Wort, ein merkwürdiger Blick des Gegenübers schon kann uns weiter verletzen. Psychotherapie? Auch wenn die Akzeptanz in der Gesellschaft glücklich gewachsen ist: Auf die Idee kommen viele Menschen einfach nicht.

Papier ist geduldig, gütig und günstig

Was der Volksmund wusste, überprüften Ende des letzten Jahrhunderts US-amerikanische WissenschaftlerInnen per Studie (Pennebaker & Beall, 1986): Sie instruierten eine Gruppe von StudentInnen – unter kontrollierten Bedingungen – an vier Tagen hintereinander jeweils 15 Minuten über eigene traumatische Begebenheiten zu schreiben. Parallel schrieb eine Kontrollgruppe schrieb, unter den gleichen Bedingungen, über oberflächliche Themen. Zum Beispiel ihre eigenen Schuhe oder ihr Studentenzimmer. Anschließend ermittelten die ForscherInnen die Anzahl der Arztbesuche der TeilnehmerInnen. Jeweils vor und nach der Studie.

Schreiben heilt? Die Aussagen

Die Ergebnisse dieser ersten Studie:

  • Unmittelbar nach dem Schreiben fühlten sich die TeilnehmerInnnen, die über die traumatischen Ereignisse geschrieben hatten, nicht direkt befreit, geschweige denn, euphorisiert, sondern eher traurig und/oder etwas ängstlich.
  • Innerhalb des nächsten halben Jahres sank jedoch die Zahl der Arztbesuche derjenigen, die über belastendes Geschehen geschrieben hatten, um die Hälfte gegenüber der Kontrollgruppe.
  • Verstärktes Empfinden von Wert und Sinnhaftigkeit: Die TeilnehmerInnen, die über die schwierigen Erlebnisse schrieben, schätzten in den abschließenden Fragebögen, Wochen später, den mentalen Effekt hoch ein und waren dankbar für die Erfahrung.

Schon bald wurden die Inhalte der Studie aufgegriffen von zwei VertreterInnen des neu entstandenen Feldes Psychoneuroimmunologie. Das Team Kiecolt-Glaser, eine klinische Psychologin, und Glaser, ein Immunologe, forschte mit 50 StudentInnen. Die Bedingungen waren vergleichbar mit der ersten Studie. Und zwar: 20 Minuten Schreiben an vier Tagen hintereinander. Eine Gruppe über eigenes Trauma-Thema, die andere über Unerhebliches. Nur: Das Forscherteam nahm den Teilnehmenden am Tag vor dem Schreiben, am letzten der vier Schreibtage und sechs Wochen später Blut ab. Anschließend wurde auf T-Lymphozyten und andere Immunmarker kontrolliert.

Die  Ergebnisse der zweiten Studie:

  • Der unmittelbare Effekt des Schreibens wurde kurzfristig eher als stressig wahrgenommen.
  • Am Ende des letzten Schreibtages war das Immunsystem gestärkt. Ein Effekt, der sich zwar über die folgenden sechs Wochen wieder abschwächte, doch anhielt.
  • Die Arztbesuche der TeilnehmerInnen, die über ihre belastenden Ereignisse geschrieben hatten, sanken.
  • Mittelfristig waren 80 Prozent der Traums-beschreibenden TeilnehmerInnen froh, teilgenommen zu haben. Sie hätten dadurch neue Einsichten erhalten.

Schreiben und Bewerben nach Job-Trauma

Eine Studie aus dem Jahr 1994 bezog sich auf das Berufsleben: Die schreibenden Teilnehmenden bestanden aus 50 Ingenieuren, Durchschnittsalter 52, die sechs Monate vorab auf amerikanische Art gefeuert wurden:

Unangekündigtes Kündigungs-Gespräch, Rückkehr an den Schreibtisch in Begleitung von Security. Persönliche Dinge mitnehmen. Raus. Nach etwa 30 Jahren Firmenzugehörigkeit bitter. Entsprechend wenig hoffnungsfroh waren die Teilnehmenden, die in zwei Gruppen an 5 folgenden Tagen jeweils 30 Minuten schrieben:

Eine Gruppe über ihre Gedanken und Gefühle zur Entlassung. Während die anderen 25 Teilnehmer über Time Management, ein Modethema dieser Zeit, schrieb. Es gab noch eine dritte Gruppe aus 22 anderen Ingenieuren (desselben Unternehmens). Diese schrieb jedoch gar nicht, sondern diente lediglich als weitere Kontrollgruppe.

  • Innerhalb von 3 Monaten hatten 27 Prozent der konfrontativ schreibenden Teilnehmer neue Jobs. Im Vergleich zu 5 Prozent der beiden anderen Gruppen. Alle hatten dieselbe Anzahl von Vorstellungsgesprächen.
  • Nach 7 Monaten hatten 53 Prozent der Trauma beschreibenden Personen über 50 neue Jobs. Während dies in den anderen Gruppen bei nur 18 Prozent der Teilnehmenden der Fall war.

Schreiben bei  Arthritis und Fibromyalgie

1999 wurde eine Studie im Journal of the American Medical Association veröffentlicht, die belegt, dass expressives Schreiben Rheumatoide Arthritis lindern kann. Eine Studie aus dem Jahr 2010 (Hsu, Schubiner, Lumley et al.) unterstützt, dass eine Kombination von Schreiben mit emotionalen Achtsamkeits-Übungen für bis zu sechs Monate danach Schmerz signifikant lindern kann.

Wer schreibt, der bleibt

Abschließend mein Fazit dieser Studien: Worte zu finden für das, was einem passiert ist, entlastet. Gefühle und Gedanken werden geklärt. Dadurch verbessert sich das innere und äußere Klima. Also: Wann beginnst du dir deine eigenen Geheimnisse in Worten anzuvertrauen?

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Susanne Hake

Master of Fine Arts (USA), bietet Osteopathie, Körperpsychotherapie und Coaching.

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